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BGH: Kein Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Schuldner, wenn Drittschuldnerleistung nicht mehr im Schuldnervermögen vorhanden ist

Im kürzlich veröffentlichten Urteil IX ZR 69/24 vom 5.6.2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter nicht befugt ist, Ansprüche gegen den Schuldner zu verfolgen, um die vom Schuldner im Eröffnungsverfahren nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts unberechtigt empfangene Leistung eines Drittschuldners zur Masse zu ziehen, wenn der geleistete Gegenstand nicht mehr im insolvenzbefangenen Vermögen des Schuldners vorhanden ist.

Nimmt der (vorläufige) Insolvenzverwalter einen Drittschuldner, der nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts an den Schuldner geleistet hat, erneut auf Leistung in Anspruch, kann der Drittschuldner dem Leistungsverlangen grundsätzlich nicht entgegenhalten, der (vorläufige) Insolvenzverwalter müsse zuvor versuchen, beim Schuldner Zugriff auf das Geleistete zu nehmen.

Im vorliegenden Rechtsstreit fordert der Kläger, ein Insolvenzverwalter, vom beklagten Schuldner die Rückzahlung von rund 12.000,- Euro, die dieser während des vorläufigen Insolvenzverfahrens unberechtigt als Untermietzahlungen eingezogen hat.

Der Beklagte war Mieter eines Wohnhauses, der Mietvertrag berechtigte ihn zur gewerblichen Untervermietung. Am 5.8.2019 ordnete das Insolvenzgericht das vorläufige Insolvenzverfahren gegen den Beklagten an, setzte einen vorläufigen Insolvenzverwalter ein und ermächtigte diesen unter anderem, Forderungen des Schuldners auf ein von ihm einzurichtendes Treuhandkonto einzuziehen. Außerdem wurde den Drittschuldnern auferlegt, nur an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu leisten, weiterhin ordnete das Gericht an, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 10.8.2019 zugestellt. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27.11.2019 wurde über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der vorläufige Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter bestellt, mit Beschluss vom 27.5.2021 entließ das Gericht den Verwalter dann aus dem Amt und bestellte den Kläger zum neuen Verwalter. Der Beklagte hatte zwischen August und November 2019 Untermietzahlungen in Höhe von 22.550,01 Euro trotz der Anordnung des Insolvenzgerichts eingenommen, nach der solche Zahlungen nur an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu leisten waren. Der Kläger war der Auffassung, der Beklagte habe der Insolvenzmasse den Erlös aus den während des Eröffnungsverfahrens vereinnahmten Untermietzahlungen zu erstatten, nach Abzug entstandener Kosten und bereits geleisteter Zahlungen verlangte der Kläger die Differenz in Höhe der 12.350,58 Euro zuzüglich Zinsen.

Die Vorinstanzen gaben der Klage überwiegend statt, dem Kläger stehe der verfolgte Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 816 (2) BGB zu. Der Beklagte legte jedoch die vom Berufungsgericht zugelassene Revision ein, um die vollständige Abweisung der Klage zu erreichen.

Die Revision war erfolgreich, das angefochtene Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 26.4.2024 wurde aufgehoben und die Klage des Insolvenzverwalters damit insgesamt abgewiesen. Das Berufungsgericht hatte laut BGH-Urteil rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger sei befugt, Ansprüche gegen den Schuldner aus ungerechtfertigter Bereicherung aufgrund der Einziehung von Drittschuldnerforderungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend zu machen. Zwar können Ansprüche der Insolvenzmasse entstehen, wenn ein Schuldner nach Verfahrenseröffnung unberechtigt Forderungen einzieht, jedoch war dies hier nicht der Fall.

Im eröffneten Verfahren hat der Verwalter aufgrund des Verwaltungs- und Verfügungsrechts über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen mehrere Möglichkeiten, vom Schuldner empfangene Drittschuldnerleistungen zur Masse zu ziehen. Falls die eingenommene Drittschuldnerleistung zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch im Vermögen des Schuldners vorhanden ist, hat der Insolvenzverwalter uneingeschränkt Zugriff. Wenn die Leistung des Drittschuldners beim Schuldner nicht mehr eindeutig abgrenzbar vorhanden ist, gehen diese Befugnisse des Verwalters allerdings ins Leere.Vorliegend ist der Kläger also nicht befugt, Ansprüche gegen den Beklagten zu verfolgen, um die vom Beklagten im Eröffnungsverfahren empfangenen Leistungen der Drittschuldners zur Masse zu ziehen.

Der Bundesgerichtshof betonte, dass das Insolvenzrecht ausreichende Schutzmechanismen bietet, um die Masse vor nachteiligen Eingriffen des Schuldners zu schützen, wie etwa strafrechtliche Sanktionen oder die Versagung der Restschuldbefreiung.

Zudem kann der Insolvenzverwalter den Drittschuldner erneut in Anspruch nehmen, ohne zuvor den Schuldner in Anspruch nehmen zu müssen. Der Drittschuldnerschutz stellt sicher, dass ein Drittschuldner, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Schuldner geleistet hat, von seiner Leistungspflicht befreit ist, sofern er zum Zeitpunkt der Leistung keine Kenntnis von der Eröffnung des Verfahrens hatte. Leistet ein Drittschuldner im Eröffnungsverfahren jedoch trotz angeordneter Sicherungsmaßnahmen an den Schuldner, wird er nur dann von seiner Verbindlichkeit frei, wenn er zum Zeitpunkt der Leistung keine Kenntnis von den Sicherungsanordnungen hatte. Der Drittschuldner kann den Insolvenzverwalter nicht darauf verweisen, zunächst beim Schuldner Zugriff auf das Geleistete zu nehmen. Das Risiko, dass der Insolvenzverwalter die Leistung erhält, trägt der Drittschuldner.

Quellenhinweis:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.06.2025 – IX ZR 69/24